Veranstaltungsbericht: DL-Dialog „TTIP und die sozialdemokratischen Grundwerte – ein Konflikt?“

Veröffentlicht am 25. November 2015

Veranstaltungsbericht: DL-Dialog „TTIP und die sozialdemokratischen Grundwerte – ein Konflikt?“

24.11.2015, Aufsturz Berlin

TTIP Bericht

Im Januar 2015 hat die Grundwertekommission der SPD Stellung zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP bezogen. Freihandel wurde in dem Papier nicht generell abgelehnt. Allerdings beurteilten die VerfasserInnen verschiedene Aspekte von TTIP (und auch CETA) kritisch.
Sogar der Parteivorsitzende hat einige der im Papier genannten Kritikpunkte in der Freihandelskonferenz der SPD im Februar dieses Jahres aufgegriffen.

Wir wollten als DL21 mit Beteiligten und unseren Gästen Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Gustav A. Horn, beide Mitglieder der SPD Grundwertekommission diskutieren, wie die von der EU-Kommission geplante Ersetzung privaten Schiedsgerichte durch einen internationale Handelsgerichtshof zu bewerten sind und was CETA für uns bedeutet. Welche weiteren Änderungen müssten an CETA und TTIP vorgenommen werden und ist es überhaupt möglich, die Abkommen so zu verändern, dass ein fairer Handel ermöglicht wird? Dieser Fragen haben wir uns gemeinsam angenommen und mit den ReferentInnen erörtert.

Gesine Schwan erklärt Eingangs die Grundzüge der von der Grundwertekommission publizierten Stellungnahme. Sie kritisierte u.a. die sog. regulatorische Kooperation. Der Rat für regulatorische Kooperation könne die Rechte der Parlamente für die Gesetzgebung gefährden. Sein Ziel sei eine maximale Deregulierung, welche aber für den Freihandel nicht zwingend notwendig sei. Weiter bemängelte Sie den Umgang der SPD-Spitze und des Parteivorsitzenden mit der geführten Debatte über das Freihandelsabkommen. Gleichzeitig führen die Debatten über beide Abkommen aber zu einer grundsätzlich positiven Politisierung der Gesellschaft. Man müsse sich politisch einbringen und Einfluss auf die Entscheidungen zu TTIP üben.

Gustav A. Horn betonte, dass Freihandel nicht zwangsläufig schlecht sei, der Vorschlag zu TTIP sei jedoch mehr als das. Standards und Regeln müssen in demokratischen Prozessen ausgehandelt werden, denn „Märkte ohne Regeln sind reines Chaos“. Diese Regeln seien bei TTIP neu ausgehandelt worden, gleichzeitig seien die Interessen deutscher und amerikanischer Lobbyisten von treibender Kraft gewesen. Ergebnisse dieser Verhandlungen seien unter anderem beunruhigenden Eingriffe in Arbeitsstandards, was dazu führe, dass es in den USA auch wachsende Bedenken in Bezug auf TTIP gibt. Die AmerikanerInnen seien genauso von der Herabsetzung der Standards betroffen wie die EuropäerInnen. Der Gegensatz bestünde hier nicht zwischen Europa und den USA, sondern zwischen verschiedenen Interessen bzw. Interessenvertretungen.
Der Höhepunkt dieses Interessenskonfliktes sind die geplanten Regeln zur Konfliktlösung in Form von privaten Schiedsgerichten, was dazu führe, dass „ein solches Abkommen mit den Grundwerten der SPD nicht vereinbar ist“.

Es sei wichtig, dass man die Mehrheiten des Europäischen Parlaments organisiert und unterstützt, so Gesine Schwan. Dabei wäre auch von großer Bedeutung, wie das Bundesverfassungsgericht über TTIP entscheidet. So wie TTIP derzeit diskutiert wird, sei es wahrscheinlich verfassungswidrig.
Man müsse in Zukunft darauf hinarbeiten, so beide ReferentInnen, ein sinnvolles Freihandelsabkommen zu etablieren, welches demokratisch ausgehandelt wurde und hohe Standards aufweist. Das transpazifische Freihandelsabkommen TPP, in de, z.B. ArbeitnehmerInnen zu Gunsten der Wirtschaft unterbezahlt werden, solle man nicht als Beispiel nutzen. Es sei wichtig, dass man Handelsbeziehungen ausbaut, sich dabei jedoch nicht auf bestimmte Gebiete beschränkt, sagte Schwan. So müsse man die Entwicklungszusammenarbeit in einer globalisierten Welt auch durch Handelsbeziehungen in Schwellenländern auf- und ausbauen und nicht ihnen zu laste handeln. In diesem Zusammenhang ist nicht nur eine solidarische Europapolitik von Bedeutung sondern vor allem eine Flüchtlingspolitik, die Ursachenbekämpfung anvisiert, die auch eine Förderung der Wirtschaft in den Herkunftsländern beinhaltet.

Nicht zuletzt wurde in großer Runde auch die Bedeutung und der Kurs der SPD diskutiert. Dabei spielte auch die Funktion des Parteivorsitzenden und seine Haltung eine tragende Rolle. Als Wirtschaftsminister müsse er TTIP befürworten, als SPD Vorsitzender solle er sich dagegen aussprechen – hier wird jedoch keine klare Haltung von Sigmar Gabriel sichtbar. Eine Situation, die dadurch verschlimmert wird, dass die SPD seit Jahren keine eigenständige Wirtschaftspolitik aufzeigt. Das fehlende Konzept führe zu andauerndem Opportunismus und würde vor allem Wählerinnen verunsichern und abschrecken.
Die Aufgabe der SPD sei es aber die Debatte über die Freihandelsabkommen von den nationalen Linien weg zur Definition des globalen Wohlstandes und der sozialen Frage zu führen. Globale Wirtschaft führe keine nationalen sondern soziale Widersprüche mit sich.
Die SPD müsse die BürgerInnen wieder in ihre Politik real einbinden und nicht nur über sie sprechen. Ihre Anerkennung und Wertschätzung seien zwingend nötig. Der Parteivorsitzende sei damit aufgefordert auch als Wirtschaftsminister keine Klientelpolitik zu betreiben, sondern im Sinne der Gesellschaft zu handeln. Verlässlichkeit und inhaltliche Kohärenz seien hier von höchster Priorität.