DL21-Seminar zu Rente und Bürgerversicherung

Veröffentlicht am 7. Juli 2016

Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr hat die DL21 am 2. Juli 2016 für ihre Mitglieder ein Seminar zu den Themen Bürgerversicherung und Rente durchgeführt.

Zur Begrüßung hob die DL21-Vorsitzende Hilde Mattheis die Bedeutung der Entwicklung der Sozialversicherungssysteme für die SPD hervor. Um die kommende Bundestagswahl zu bestehen, müsse die Partei ihr Profil auf diesem Gebiet schärfen. Zentral sei die Sicherung des Rentenniveaus und eine gerechte Gesundheitsversorgung – etwa durch die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge.

Rente

Dr. Rudolf Zwiener vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung zeigte am Beispiel Österreich, wie eine Rentenversicherung aussehen könnte.

Er übte scharfe Kritik an der rot-grünen Rentenreform. Durch die Einführung der Riesterrente seien die ArbeitgeberInnen de facto aus der paritätischen Finanzierung entlassen worden. Denn nun müssten 4 Prozent des Einkommens für einen Riestervertrag allein von den ArbeitnehmerInnen gezahlt werden, um die Finanzierungslücke zu schließen. Gerechter wäre es gewesen, die Beiträge anzuheben und ArbeitgeberInnen wie ArbeitnehmerInnen zu gleichen Teilen daran zu beteiligen.

Im derzeitigen System sei die Sicherung des Versorgungsniveau der kommenden RentnerInnen gefährdet: Denn aus der gesetzlichen Rente könnten DurchschnittsverdienerInnen künftig nach 35 Beitragsjahren nur noch eine Rente auf Grundsicherungsniveau erwarten. Eine ergänzende betriebliche Altersvorsorge habe nur etwa die Hälfte der Beschäftigten. Eine ebenfalls ergänzende Riesterrente könnten sich nicht alle ArbeitnehmerInnen leisten. Zudem halte diese nicht das, was sie verspreche.

Ein gutes Gegenmodell habe Österreich entwickelt. Dort lägen die Renten doppelt so hoch wie in Deutschland – ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu gefährden.

Dies sei möglich, weil unser Nachbarland eine Erwerbstätigenversicherung eingeführt habe, in die auch BeamtInnen und Selbstständige einbezogen würden und der Beitragssatz über dem deutschen liege. Besonders lobend erwähnte Zwiener die österreichische Mindestrente von 1000 Euro im Monat, die jedem zustehe, der 15 Jahre lang gearbeitet habe. Die Aufstockung auf diesen Betrag werde aus Steuermitteln finanziert.

Das österreichische Modell könne auch auf Deutschland übertragen werden, so Zwiener. Dazu müssten die Beitragssätze angehoben, versicherungsfremde Leistungen (wie etwa die Mütterrente oder die Rente für ehemalige DDR-BürgerInnen) müssten aus Steuergeldern und nicht aus der Rentenkasse bezahlt werden. Im Sinne der Erwerbstätigenversicherung müssten auch BeamtInnen und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen. Statt Minijobs zu fördern, sollten mehr sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen werden. Niedrigrenten müssten außerdem erheblich aufgestockt werden – finanziert aus Steuermitteln.

Auch Andreas Schwarz von der Rentenversicherung Baden-Württemberg befasste sich in seinem Vortrag mit dem Thema Rente und ging dabei vor allem auf die Sicherung des Rentenniveaus ein. Der demografische Wandel und die damit verbundene Alterung der Gesellschaft wirkten sich negativ darauf aus. Durch die gestiegene Erwerbbeteiligung wirke sich die höhere Zahl der RentnerInnen bisher noch nicht negativ aus. Ein Spielraum würde sich auch eröffnen, wenn Frauen genauso viel bezahlter Arbeit nachgehen würden wie Männer. Langfristig aber sei eine steigende Altersarmut zu befürchten. Wenn das Rentenniveau auf 43 Prozent sinkt, werden Menschen, die weniger als 70 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens verdienen, nur noch auf eine Grundsicherungsrente kommen – selbst wenn sie 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben.

Auch über eine so genannte Riester-Rente könne die Absenkungen des Rentenniveaus nicht aufgefangen werden. Letztlich habe von der Riester-Rente nur die Versicherungswirtschaft profitiert, nicht aber die Versicherten.

Besonders dramatisch ist allerdings die Situation der Grundsicherungsempfänger. Ein Viertel von ihnen hat keinerlei Rentenansprüche. Um dem entgegenzuwirken empfahl Schwarz, wieder Anrechnungszeiten beim Bezug von ALG II einzuführen. Um ArbeitnehmerInnen mit einem geringen Verdienst eine Rente zu ermöglichen, von der man leben könnte, müssten ArbeitgeberInnen dazu verpflichtet werden, für diese Beschäftigten einen höheren Beitrag für die Rentenkasse zu zahlen.

Bei RuheständlerInnen, die privat vorgesorgt haben, sollte diese private Vorsorge nicht mit staatlichen Hilfen, auf die sie ggf. im Alter angewiesen sind, verrechnet werden.

Generell plädierte Schwarz dafür, sich an dem System Schweiz zu orientieren. Dort zahlten auch Menschen, die nur von Kapitalerträgen lebten, in die Rentenkasse ein. Eine Beitragsbemessungsgrenze gebe es dort nicht. Zumindest sollte diese in Deutschland angehoben werden.

Krankenversicherung

Der stellvertretende Vorsitzende der ASG, Boris Velter sprach über das Thema Bürgerversicherung. Vorab stellte er dar, dass es im jetzigen System nicht nur Ungerechtigkeiten zwischen gesetzlich und privat Versicherten gäbe, sondern auch innerhalb des Systems der gesetzlich Versicherten. So sei zum einen die paritätische Finanzierung der Beiträge zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen aufgegeben worden. Zum anderen würden aber auch nicht alle gesetzlich Versicherten gleich behandelt. Nicht alle gesetzlichen Kassen übernähmen alle Leistungen.

Diese Ungerechtigkeiten könnten durch eine Bürgerversicherung behoben werden, in der auch BeamtInnen und Selbstständige Mitglied seien. Außerdem müsse man zur paritätischen Finanzierung der Beiträge zurückkehren, damit die BeitragszahlerInnen nicht allein die steigenden Kosten aufbringen müssen.

Ein Schritt auf dem Weg dahin könnte auch das Angebot an BeamtInnen sein, ihnen den Wechsel in die gesetzliche Versicherung zu erleichtern. Denn viele im Staatsdienst Beschäftigte wären lieber hier versichert und würden daher gerne wechseln, so Velter. Eine weitere Möglichkeit wäre die einheitliche Vergütung für gesetzlich und privat Versicherte. So könnte man der Bevorzugung von PrivatpatientInnen entgegenwirken.